Ursprung der Dressurreiterei

Geritten wird in der Historie schon lange. Bereits in der Antike und darüber hinaus. Ca. 12000 Jahre begleitet das Pferd den Menschen nun schon. Ohne das Pferd wäre unsere Zivilisation nie dort angekommen wo sie jetzt steht. Das Pferd hat maßgeblich zur Kulturentwicklung beigetragen. Es ist eines der wichtigsten Nutztiere überhaupt. Das Pferd diente als Fleischlieferant, als Arbeitstier, zum Transport von Mensch und Material, für die Jagd und als Kriegswaffe.

Schon in der Antike machten sich Menschen Gedanken, wie man ein Pferd am besten ausbilden und reiten sollte. Einer der heute noch oft zitierten Gründerväter ist der griechische Xenophon, der schon um 365 v. Chr. ein schriftliches Werk über die Pferdeausbildung verfasst hat und der sich damals schon für eine dem Pferd gegenüber respektvolle und durchdachte Reitweise und Ausbildung aussprach. Das hatte den Grund, dass die Güte der Ausbildung und der Umgang mit dem Tier damals maßgebend beeinflussten ob man den nächsten Kampf überlebte oder nicht. Der beste Reiter mit dem bestausgebildetsten Pferd, bzw. den überraschendsten Manövern im Sattel hatte einfach die größten Chancen auf einen Sieg. Wann immer sich Menschen in der Geschichte mit der Reitlehre befassten haben, hatte diese ihren Keim in der militärischen Nutzung des Pferdes. Auch die heute gebräuchliche Reitlehre der FN basieren noch auf den Niederschriften des Militärs.

Die Ausbildung zu Nahkämpfern

In den Zeiten in denen es noch keine Artillerie gab waren Kriege von ganz anderer Sorte. Schlachten wurden hauptsächlich im Nahkampf mit Nahkampfwaffen ausgetragen, z. B. Schwertern oder Lanzen. Und das von der Antike bis ins späte Mittelalter. Im Nahkampf brauchte man Pferde, die man buchstäblich auf dem Teller drehen konnte. Man musste sie einhändig und vor allem über Sitz und Schenkel steuern können, denn man führte – zumeist in der Rechten – die Waffe. Diese Pferde mussten auf allen Hufen gleichermaßen agil sein, ausgesprochen wendig und vorne und hinten steigen und auskeilen können um sich im dicksten Getümmel Raum zu verschaffen. Auch durften diese Tiere nicht scheuen und mussten ihren Herren immer mutig folgen.
Eine schlampige Ausbildung und Gewaltanwendung bestrafte nicht nur das Pferd, sondern nachhaltig auch den Menschen. Die Tragweite eines steifen, undurchlässigen Pferdes, dass sich schlecht steuern lies und seinem Herrn nicht vertraute war damals über alle Maß fataler als heute. Im Nahkampf war man auf das Tier angewiesen. Auf Gedeih und Verderb. Vom Pferd hing auch das eigene Leben ab.
Viele Menschen dieser Zeit widmeten sich daher dem Studium des Reitens und gute Reitmeister waren hoch angesehen an den Adelshöfen. Ohne die Anatomie des Pferdes und damit die Wirkweise von Übungen in Gänze kennen zu können entwickelte sich durch Erfahrung und Anwendung aus der Notwendigkeit heraus und über viele Jahrhunderte eine Reitkultur, die auch vor heutigem Wissensstand und biomechanischen Grundsätzen noch Bestand hat. Die Pferde, die man damals so ausbildete waren übrigens erstaunlich lange einsatzfähig, laut Überlieferungen bis über ihre Zwanziger hinaus. Und das ganz ohne den heutigen Stand der Tiermedizin.
Praktiziert wurde diese historische Reitkunst übrigens nur in Adelskreisen denn eine Ausbildung solcher Pferde war aufwendig, langwierig und extrem kostspielig, genauso auch die Ausbildung der Reiter. Das Kriegspferd eines Ritters kostete im Mittelalter z. B. ungefähr so viel wie ein ganzes Dorf und wurde dem Ritter durch den Lehensherrn gestellt, dem er diente. Der Knappe lernte dann von Kindebeinen bis ins Erwachsenenalter das Reiten. Der Ritter heißt nicht umsonst Ritter. Das Reiten war eine der wichtigsten Paradedisziplinen.
Wer reitet weiß wie knifflig Reiten sein kann. Man stelle sich das mal in voller Rüstung vor und zwar bis in die höchste Versammlung bei einhändiger Hilfengebung.
Diese Art der Pferdeausbildung blieb über viele Jahrhunderte so und änderte sich erst mit dem Einzug der Schusswaffen in der Geschichte der Menschheit.

Die Pferde der damaligen Zeit waren übrigens überhaupt nicht das, was man heute erwartet. In Mittelalterfilmen reiten Ritter heute riesige Rösser, evtl. Kaltblüter. Sie hatten auch überhaupt nichts mit den heutigen Warmblutpferden gemein.
Die Pferde von damals hatten aber tatsächlich maximal ein Stockmaß von 1.55m, eher deutlich darunter. Das Durchschnittspferd des Ritters hatte ca. 1.45m Stockmaß. Sie standen im Quadrattyp, waren gut bemuskelt, mit starkem Fundament, kompakt und tragfähig. Kaltblüter gab es übrigens überhaupt nicht. Diese Pferde sind ein Produkt der jüngeren Geschichte.

Das Zeitalter der Freigeister

Mit der Renaissance änderte sich die Denkweise der Menschen. Wissenschaft und Künste erlangten neues Ansehen, man brach aus dem konservativen Konstrukt der Kirche aus. Die Menschen begannen über sich selbst und ihr Wohl zu sinnieren. So diente das Reiten nicht länger nur zum Krieg, sondern auch der körperlichen Ertüchtigung und als Statussymbol beim Adel. An den Königshöfen gründete man Hofreitschulen, die feierlich nach den alten ‚Tugenden‘ ausbildeten. Das Reiten und die Pferdeausbildung wurden zur Kunst. Zusammen mit Fechttraining und Musikschule zählten sie zu dem damaligen ‚Livestyle‘ und zur Demonstration von Standesdünkeln. Die ‚ritterlichen Tugenden‘ waren gefragt. Den Begriff Kavalier (früher die Bezeichnung eines Reiters) verbinden wir heute noch einen vornehmen Mann und ‚Beschützer der Frauen‘. Eben jene Interpretation entstammt aus diesem Zeitgeist. Die Schulen aus der Renaissance sind heute das Vorbild für die häufig als ‚Barockreiterei‘ bezeichneten Reitweisen.

Napoleons Edikt und die Weltkriege

Zur Zeit Napoleons wurde eine Mischungen aus vollblütigen Pferden und den schwereren Warmblütern der jeweiligen Regionen modernes Kriegs- und Transportgerät. Napoleon erlies sogar ein Edikt mit dem Befehl in alle alten Linien den Vollblüter einzukreuzen. Man züchtete nun vermehrt auf Raumgriff und Vorwärtsdrang. Beides Eigenschaften, die vor allem die Kavallerie zu schätzen wusste, wenn es galt, die feindliche Artillerie in wilden Angriffskavalkaden zu überrennen. Weder Mensch noch Pferd hatten im Anbetracht der aufkeimenden Feuerwaffen eine Chance einen Nahkampf zu überleben. Die einzige Möglichkeit war, die Geschütze bzw. ihre Schützen so schnell wie möglich zu erreichen und niederzurennen. Dafür benötigte man Pferde, die im herdengetriebenen Galopp nicht mehr zu stoppen waren, egal welche Hindernisse im Weg standen. Gefragt war also maximale Beschleunigung und nicht mehr Versammlung und Wendigkeit. Der kleine Quadrattyp hatte ausgedient.
Hinzu kam auch dass die Verluste an Mensch und Tier deutlich stiegen. Viele Reiter und ihre Pferde kamen in den Schlachten um. Es entstand eine Wehrpflichtarmee, die schnell Nachschub generieren musste. Die Ausbildung der Soldaten und der Pferde wurde auf das Nötigste reduziert.

Bis zum Ende des zweiten Weltkriegs taten allein etwa 2,8 Mio. Pferde ihren Dienst auf deutscher Wehrmachtseite. Niemals hatte es mehr Pferde in einem Krieg gegeben. Über 60 Prozent davon kamen im Kriegsgeschehen ums Leben. Beim Kavalleriepferd der letzten großen Reiterschlachten ging es um Kadavergehorsam. Die Pferde hatten damals im Durchschnitt nur etwa vier Jahre Lebenserwartung, ein Kraftfahrzeug zu dieser Zeit jedoch nur eines bis es komplett ausfiel. Meist versagte es sogar schon nach sieben Wochen den Dienst. Die industriellen und logistischen Möglichkeiten die Kraftfahrzeuge, sowie die dafür benötigten Betriebs- und Hilfsstoffe bereit zu stellen, waren zudem sehr eingeschränkt. Außerdem waren sie außerordentlich laut, was eine überraschende Verlagerung von Truppen und Gerät unmöglich machten. Das Pferd war taktisch, ökonomisch und technisch vor allem zu Logistikzwecken (dem Transport von Menschen, Waffen, Verpflegung etc.) dem mittlerweile in Großserie produzierte Verbrennungsmotor immer noch überlegen und das trotz des erheblichen Futterversorgungsaufwands.
Die Regimenter wurden immer größer und man musste in immer kürzerer Zeit und zu möglichst geringen Kosten Reiter und Pferde ausbilden um den 'Nachschub' zu sichern. Die Verluste waren so erheblich dass es nicht selten war, dass an den Frontlinien in kürzester Zeit bis zu 90% der Pferde (und Reiter) ersetzt werden mussten.
Der zweite Weltkrieg ging in die Geschichte ein als die größte Reiterschlacht, die jemals stattgefunden hat.
Über das ganze Land verteilt entstanden riesige Staatsgestüte um die Nachfrage nach Pferden abzudecken. Die Ausbildung wurde gleich der Massenproduktion auf ein Mindestmaß beschränkt. Die bestausgebildetsten Reiter, Offiziere, steuerten das Kriegsgeschehen nur noch aus sicherer Entfernung. Trotzdem entstand durch die Weltkriege ein großer Verlust vieler guter Reitmeister und damit auch der Verlust eines erheblichen Wissens. Der Leitfaden zur Ausbildung von Pferd und Reiter zu dieser Zeit fand seine Niederschrift in den Heeresdienstvorschrift 1912 (H.Dv.12) , die zuletzt 1937 aktualisiert wurde.

Der Beginn des Wettkampfreitens

Den Übergang zum heutigen Hobby bildeten die Offiziere und Generäle um 1900. Sie riefen Wettbewerbe ins Leben um ihr Können und ihre gut ausgebildeten Gebrauchspferde zu messen und gleichzeitig ihren Rang und Status zu unterstrichen.
Schon im Jahr 1912 wurde bei den olympischen Spielen, getragen vom Militär, das erste Mal eine Dressurprüfung abgehalten.
Die Idole dieser Zeit erschufen ein neues Bild der Reiterei uns dem auch die sogenannte klassische Dressur entspringt. Aber nicht nur die Dressurreiterei entspringt dem Militär. Das gilt genauso für den Springsport und Geländeprüfungen. Die Richtlinien dieser Wettkämpfe basierten auf der H.DV.12.

Der Auftakt des Freizeitreitens

Nach dem Ende wer Weltkriege begannen schließlich auch gutbetuchte Bürger dem Hobby ‚Reitsport‘ nachzugehen. Reiten wurde immer mehr zum Volksvergnügen nachdem es sowohl seinen militärischen Nutzen, als auch den im Transport und der Landwirtschaft verloren hatte. Es begann eine neue Ära, die bis heute unglaubliche Summen an Geld generiert.
Die Regelungen der militärischen H.Dv.12 wurden als Erbe mitgenommen, da der Freizeitsport Reiten unmittelbar aus den Wettkämpfen der Offiziere entsprang. Auf ihnen basieren auch heute die Ausbildungsrichtlinien der FN. Wir reiten also tatsächlich noch immer nach nationalsozialistischer Militärliteratur.